Dem kurzen Hinweis in unserem Dezember-Newsletter 2012 über die geplante Neuordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit soll nun angesichts des Inkrafttretens mit 01.01.2014 eine eingehende Darstellung der künftigen Rechtslage folgen.
Ab 01.01.2014 tritt die Neuordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Kraft. Diese besteht darin, dass es künftig in jedem Bundesland ein Landesverwaltungsgericht und daneben zwei Bundesverwaltungsgerichte geben wird. Aus steuertechnischer Sicht sind künftig die Landesverwaltungsgerichte insofern von Interesse, als dort Rechtsmittel in Gemeinde- und Landesabgabensachen verhandelt werden (zB noch anhängige Berufungen in Getränkesteuersachen oder in Kommunalsteuerangelegenheiten). Von zentralem Interesse ist aber das neue Bundesfinanzgericht. Dieses wird durch Überleitung des Unabhängigen Finanzsenats geschaffen. Sämtliche Mitglieder des Unabhängigen Finanzsenats können schriftlich ihre Ernennung zur Richterin oder zum Richter des Bundesfinanzgerichts beantragen. An der Besetzung der Senate des Bundesfinanzgerichts ändert sich gegenüber dem Unabhängigen Finanzsenat nichts. Der entscheidende Senat besteht weiterhin aus zwei (künftig) RichterInnen und zwei fachkundigen LaienrichterInnen. Der Senatsvorsitzende hat weiterhin bei Stimmengleichheit ein Dirimierungsrecht. Als fachkundige LaienrichterInnen dürfen weiterhin weder Notare noch Rechtsanwälte noch Wirtschaftstreuhänder fungieren. Das Bundesfinanzgericht entscheidet über Rechtsmittel künftig wie der Unabhängige Finanzsenat entweder durch EinzelrichterInnen oder durch Senate. Ebenso wie derzeit muss die Entscheidung durch einen Senat sowie eine mündliche Verhandlung auch künftig gesondert beantragt werden.
Was ist künftig neu am Rechtsmittelverfahren in Abgabensachen?
- Neu ist vorerst, dass das Rechtsmittel in Abgabensachen künftig nicht mehr als Berufung, sondern als Beschwerde bezeichnet wird.
- Die Beschwerde ist künftig – wie derzeit – bei der Abgabenbehörde einzubringen, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat.
- Die Abgabenbehörde kann wie bisher eine Beschwerdevorentscheidung erlassen.
- Neu ist, dass eine Beschwerdevorentscheidung zu unterbleiben hat, wenn dies in der Beschwerde beantragt wird.
- Gegen die Beschwerdevorentscheidung kann innerhalb eines Monats ein Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht gestellt werden.
- Künftig wird es aber keine zweite Beschwerdevorentscheidung und keine Vorlageerinnerung mehr geben.
- Das Bundesfinanzgericht kann einen Erörterungstermin bestimmen.
- Im Beschwerdeverfahren besteht – wie dies auch derzeit der Fall ist – kein Neuerungsverbot. Daher können neue Vorbringen und neue Beweisanträge bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erstattet werden.
- Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts in der Sache wird künftig als Erkenntnis bezeichnet (derzeit Berufungsentscheidung).
- Das Bundesfinanzgericht kann den angefochtenen Bescheid aber auch mit Beschluss aufheben und die Sache an die Abgabebehörde zur besseren Ermittlung des Sachverhalts – wie bisher – zurückverweisen.
- Gegen einen Beschluss oder ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts steht nach wie vor als außerordentliches Rechtsmittel die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und künftig die Revision an den Verwaltungsgerichtshof offen.
- Bei Verletzung der Entscheidungspflicht der Abgabenbehörde steht dem Abgabepflichtigen künftig die Möglichkeit einer Säumnisbeschwerde an das Bundesfinanzgericht offen (derzeit noch Devolutionsantrag).
- Neu ist die Maßnahmenbeschwerde, die gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Abgabenbehörden beim Bundesfinanzgericht eingebracht werden kann.
- Neu ist auch, dass das Bundesfinanzgericht in seinem Erkenntnis auszusprechen hat, ob eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig ist (sogenanntes Zulassungsverfahren). Wenn das Bundesfinanzgericht die Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig erklärt, kann trotzdem eine außerordentliche Revision eingebracht werden. Letztlich entscheidet der VwGH ob die ao Revision zulässig ist.
- Die Frist, innerhalb der das Bundesfinanzgericht über eine Beschwerde zu entscheiden hat, ist unverändert zur derzeitigen Rechtslage mit sechs Monaten gleich geblieben.
- Anstelle der bisherigen Säumnisbeschwerde (im Falle der Verletzung der sechsmonatigen Entscheidungspflicht durch den UFS) tritt ab 01.01.2014 der Fristsetzungsantrag. Der VwGH hat im Fristsetzungsantragsverfahren dem Bundesfinanzgericht eine Entscheidung innerhalb einer Frist von maximal drei Monaten (wie derzeit auch) aufzutragen. Allerdings fehlt beim Fristsetzungsantrag künftig die Kompetenz des VwGH nach Ablauf der gesetzten Frist in der Sache selbst zu entscheiden. Damit ist der Fristsetzungsantrag ein ziemlich zahnloses Institut.
- Das Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht ist wie bisher nicht mit Kosten für die Partei verbunden. Die Gebühr für VwGH-Revisionen und Fristsetzungsanträge beträgt künftig unverändert € 240.
- Neu ist, dass alle Revisionen und Fristsetzungsanträge nicht wie derzeit beim VwGH sondern beim Bundesfinanzgericht einzubringen sind.
- Das Bundesfinanzgericht hat bei den eingebrachten Revisionen zu prüfen, ob die Revisionsfrist eingehalten wurde. Diese beträgt unverändert sechs Wochen ab Zustellung des Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichts. Neu ist ferner, dass das Bundesfinanzgericht im Fall eines Mangels der Revision diese an den Revisionswerber zur Mängelbehebung zurückzustellen hat.
- Wenn das Bundesfinanzgericht die Revision bzw den Fristsetzungsantrag als unzulässig zurückweist, kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesfinanzgericht einen Vorlageantrag an den VwGH stellen.
- Über Anträge auf aufschiebende Wirkung entscheidet derzeit der VwGH. Künftig wird das Bundesfinanzgericht über Anträge auf aufschiebende Wirkung entscheiden. Erst nach Vorlage der Revision durch das Bundesfinanzgericht entscheidet der VwGH über Anträge auf aufschiebende Wirkung. Der VwGH kann Beschlüsse des Bundesfinanzgerichts betreffend aufschiebende Wirkung von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn er die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung anders beurteilt.
- Anträge auf Verfahrenshilfe müssen künftig grundsätzlich auch beim Bundesfinanzgericht eingebracht werden. Nur in den Fällen, in denen das Bundesfinanzgericht die Revision für unzulässig erklärt hat, sind derartige Anträge direkt beim VwGH einzubringen.
Eine weitere wesentliche Neuerung des Abgabenverfahrens, welches nicht mit dem Rechtsmittelverfahren im Zusammenhang steht, stellt die Umgestaltung der Bestimmungen über die Wiederaufnahme in der BAO dar. Künftig besteht in diesem Punkt Waffengleichheit zwischen den Abgabepflichtigen und den Finanzbehörden. Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann dann von Amts wegen oder auf Antrag der Partei wieder aufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen sind, die für das abgeschlossene Verfahren von Relevanz sind. Die derzeitige Voraussetzung für eine Wiederaufnahme auf Antrag der Partei, wonach die Beweismittel ohne grobes Verschulden der Partei im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht wurden, entfällt künftig.