Wir haben in der Klienten-INFO des Vorjahres bereits mehrfach darüber berichtet, dass sich der VwGH dafür ausgesprochen hat, bei internationalen Sachverhalten einen wirtschaftlichen Arbeitgeberbegriff anzuwenden. Dies bedeutet, dass die in den Doppelbesteuerungsabkommen enthaltene 183-Tage-Regelung nicht anwendbar ist und ein entsendeter Arbeitnehmer im Tätigkeitsstaat auch dann steuerpflichtig wird, wenn er im Tätigkeitsstaat nur vorübergehend (dh weniger als 183 Tage) tätig wird, sofern der Beschäftiger den Arbeitslohn (zB im Wege der Verrechnung einer Gestellungsvergütung) trägt. Das BMF hat nun kürzlich in einem Erlass zu der Umsetzung dieser neuen Rechtsansicht Stellung genommen.
Das BMF hält nunmehr fest, dass im Falle einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung die abkommensrechtliche Arbeitgebereigenschaft dem Beschäftiger zukommt. Es wird aber ausdrücklich betont, dass für das innerstaatliche Recht keine Änderung des Arbeitgeberbegriffes eintritt.
Der Anwendungsbereich des wirtschaftlichen Arbeitgebers beschränkt sich auf die (passive) Arbeitskräfteüberlassung, die eine Duldungsleistung darstellt; diese ist von der Erbringung aktiver Dienstleistungen (Assistenzleistungen) wie beispielsweise Beratungsleistungen, Schulungsleistungen, Überwachungsleistungen und anderen Assistenzleistungen zu unterscheiden.
In Besteuerungsfällen mit einem ausländischen Beschäftiger („Outbound-Fälle“) sind die auf die Auslandsentsendung des Dienstnehmers entfallenden Einkünfte bei Anwendung von DBAs, die dem Befreiungssystem folgen, in Österreich grundsätzlich auch dann von der Besteuerung – unter Progressionsvorbehalt – freizustellen, wenn die Entsendung nicht die 183-Tage-Frist übersteigt. Voraussetzung für die Befreiung ist, dass der ausländische Tätigkeitsstaat den Beschäftiger gleichfalls als Arbeitgeber wertet, sodass beide Vertragsstaaten von einer Zuteilung des Besteuerungsrechtes an den Tätigkeitsstaat ausgehen. Sollte im Tätigkeitsstaat hingegen keine Besteuerung erfolgen, so liegt die (widerlegbare) Vermutung vor, dass die Voraussetzung für eine Verpflichtung zur Steuerfreistellung in Österreich nicht erfüllt wird. Der Erlass führt in diesem Zusammenhang folgendes Beispiel an:
„Die Vermutung könnte beispielsweise dadurch widerlegt werden, dass die ausländische Steuerverwaltung den Beschäftiger zwar korrespondierend zur österreichischen Einstufung als Arbeitgeber im Sinn der 183-Tage-Klausel wertet, dass sich aber in Anwendung des innerstaatlichen Steuerrechts keine Steuerleistung ergibt.“
In „Inbound-Fällen“ (ausländischer Arbeitnehmer, inländischer Beschäftiger) ist Österreich mangels Anwendbarkeit der 183-Tage-Regel grundsätzlich vom ersten Tag an berechtigt, die nach Österreich überlassenen Arbeitnehmer zu besteuern. Da die wirtschaftliche Arbeitgebereigenschaft aber nicht für das innerstaatliche Recht gilt, ist der inländische Beschäftiger nicht zum Lohnsteuerabzug verpflichtet. Der inländische Beschäftiger muss aber bei Überweisung der Gestellungsvergütung an den ausländischen Überlasser einen Steuerabzug von 20 % vornehmen.
Soll dieser Steuerabzug vermieden werden, bestehen bei der konzerninternen Personalüberlassung folgende Möglichkeiten:
– ein Nachweis iSd DBA-Entlastungsverordnung (insbesondere ein vollständig und korrekt ausgefülltes sowie von der zuständigen ausländischen Finanzverwaltung bescheinigtes, maximal ein Jahr altes Formular ZS-QU2 für den Überlasser) vorliegt und
– ein freiwilliger Lohnsteuerabzug entweder durch den ausländischen Überlasser oder den inländischen Beschäftiger vorgenommen wird.
Erfolgt kein freiwilliger Lohnsteuerabzug, können auf Basis des ZS-QU2 nur jene Teile der Gestellungsvergütung vom Steuerabzug an der Quelle befreit werden, die wirtschaftlich nicht den Arbeitnehmerbezügen entsprechen, das sind insbesondere die Lohnnebenkosten, Gemeinkosten und der Gewinnaufschlag.
In sonstigen Überlassungsfällen kann – wie bisher – im Vorfeld beim Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart die Ausstellung eines Befreiungsbescheides beantragt werden, wenn ein freiwilliger Lohnsteuerabzug in Österreich vorgenommen wird.
Im Verhältnis zu Deutschland soll es bei der gewerblichen Arbeitskräfteüberlassung (iSd AÜG) weiterhin zur Anwendung der 183-Tage-Regel kommen. Die durch das VwGH-Erkenntnis geschaffene neue Rechtslage gilt daher im Verhältnis zu Deutschland nur für sonstige nicht gewerbliche Arbeitskräfteüberlassungen, insbesondere die konzerninterne Arbeitskräfteüberlassung.
Die neue Rechtslage ist grundsätzlich auf alle im Zeitpunkt der Kundmachung des Erlasses (20.06.2014) offenen Fälle anzuwenden. Auf bereits zu diesem Zeitpunkt bestehende Konzernentsendungen nach Österreich kann noch die bisher übliche Verwaltungspraxis ausnahmsweise vorübergehend angewendet werden, wenn ein Besteuerungsnachweis betreffend die in Österreich erbrachten Dienstleistungen aus dem Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers erbracht wird.