Irrtum, Verjährung oder Selbstanzeige im Finanzstrafrecht

Als Folge zur gestohlenen Steuerdaten-CD-ROM
 
Gesetzwidrigkeit als Beweisverwertungsverbot
Deutschland hat nun schon zum zweiten Mal gestohlene Steuerdaten gekauft, welche diesmal von Credit Suisse stammen, um Steuerflucht zu bekämpfen. Diese Vorgangsweise wirft die Frage auf, ob sich ein Rechtsstaat über seine eigenen Gesetze, die kriminelle Handlungen unter Strafe stellen, nach dem Motto „der Zweck heiligt die Mittel“ hinwegsetzen darf. Nach allgemeinem Rechtsverständnis handelt es sich um Datendiebstahl sowie um Hehlerei durch den Staat. Dieser unterstützt den Dieb, die Tat zu verheimlichen und kauft das Diebsgut, um es zu verwerten. Die Verwertung könnte der Staat noch damit rechtfertigen, auf diese Weise zu jenen Mitteln zu kommen, auf die er einen Rechtsanspruch hat (hinterzogene Steuern), den er allerdings nur mit rechtsstaatlichen Mitteln durchsetzen dürfte. Der Tatbestand der Verheimlichung ist jedenfalls erfüllt, da er den Datendieb deckt, ihm in einer Nacht-und-Nebel-Aktion sogar eine beträchtliche Summe zahlt und sich damit zum Handlanger des Verbrechers macht, statt ihn zur Verantwortung zu ziehen. Für Österreich ist die Lage anders, weil es die Daten nicht kauft, sondern im Wege der EU-Amtshilfe von Deutschland erhält. Der Datendiebstahl ist gem. § 119a öStGB seit 1. Oktober 2002 (BGBl I 134/2002) ein Privatanklagedelikt. Innerstaatlich besteht gem. § 166 StPO und § 98 Abs. 4 FinStrG nur in den dort genannten Fällen (z.B. Aussage unter Folter etc.) ein Beweisverwertungsverbot, aber nicht bei jeder Gesetzesverletzung. Datendiebstahl ist nicht angeführt. Es ist allerdings auf Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Grundrechtecharta zu verweisen:
Schutz personenbezogener Daten
(1) Jede Person hat das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten.
(2) Diese Daten dürfen nur nach Treu und Glauben für festgelegte Zwecke und mit Einwilligung der betroffenen Personen oder auf einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage verarbeitet werden. Jede Person hat das Recht, Auskunft über die sie betreffenden erhobenen Daten zu erhalten und die Berichtigung der Daten zu erwirken.
(3) Die Einhaltung dieser Vorschrift wird von einer unabhängigen Stelle überwacht.
EU-Recht ist grundsätzlich zwingendes Recht! Der EuGH hat wiederholt die missbräuchliche Datenverwendung für Mitgliedstaaten verboten, woraus ein Beweisverwertungsverbot ableitbar ist und ein Höchstgericht gegebenenfalls ein Ersuchen auf Vorabentscheidung des EuGH stellen müsste. Begründet der Betroffene in einem innerstaatlichen gerichtlichen Verfahren unter Berufung auf die EU-Grundrechtecharta ein solches Begehren, wird ihm das voraussichtlich kaum nützen, da sich das Gericht auf ein nicht vorhandenes innerstaatliches Beweisverwertungsverbot stützen kann. Auf Basis dieses Verfahrensrechtes wird der Betroffene daher seine Entscheidung treffen müssen, indem er folgende Rechtshilfen ausschöpft:
 
Schutz vor einer Finanzstrafe
• Schuldausschließungsgrund gem. § 9 FinStrG
Bei einem entschuldbaren Rechtsirrtum liegt ein Strafausschließungsgrund vor. Ist der Irrtum unentschuldbar, handelt es sich um Fahrlässigkeit, für die ein geringeres Strafausmaß vorgesehen ist. Der Grundsatz, dass Unkenntnis des Gesetzes nicht vor Strafe schützt, ist dann nicht maßgebend, wenn die Handlung auf einer vertretbaren Rechtsauffassung beruht. Das hängt wiederum davon ab, ob eine Norm klar erkennbar ist, eine gesicherte Rechtsprechung bzw. Meinung in der Fachliteratur vorliegt bzw. im Zweifelsfall fachkundiger Rat eingeholt worden ist. Übertriebene Recherchen bei der Rechtsfindung sind nicht anzustellen, wie dies aus der „Denksportjudikatur“ des VwGH hervorgeht. Seiner Natur nach muss der Irrtum nicht bewiesen, aber glaubhaft gemacht werden. Ob eine Schutzbehauptung vorliegt, unterliegt der Beurteilung der Behörde. Im Zweifelsfall ist zu Gunsten des Steuerpflichtigen zu entscheiden. Für den durchschnittlichen Steuerpflichtigen erschließt sich die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen im Verhältnis zum innerstaatlichen Recht aber nicht ohne weiteres, sodass ein Rechtsirrtum nichts Außergewöhnliches ist. Der Abzug einer Kapitalertragssteuer im Quellenstaat (z.B. EU-Quellensteuer), kann u.U. zur Auffassung führen, dass damit die Steuer abgegolten ist. Es sei diesbezüglich aber auf die Rechtsauffassung eines Innsbrucker Schöffensenates verwiesen, wonach das Nichtwissen um die inländische Veranlagung ausländischer Kapitaleinkünfte als „weltfremd“ bezeichnet wird.
• Verjährung der Strafbarkeit gem. § 31 FinStrG
Sie ist ein „Minenfeld“ im steuerlichen Sinne.
1 Jahr für Finanzordnungswidrigkeiten.
3 Jahre für Ordnungswidrigkeiten bei selbst zu berechnenden Abgaben.
5 Jahre für die übrigen Finanzvergehen.
10 Jahre jedenfalls bei Finanzvergehen, für deren Verfolgung die Finanzstrafbehörde zuständig ist (absolute Verjährung).
Für den Eintritt der Verjährung ist zunächst die Feststellung seines Beginnes erforderlich, was im Einzelfall problematisch sein kann. Maßgeblich hierfür ist der Zeitpunkt, an dem die mit Strafe bedrohte Tätigkeit abgeschlossen ist oder das mit Strafe bedrohte Verhalten aufhört. Gehört zum Tatbestand ein Erfolg, so beginnt sie erst mit dessen Eintritt zu laufen, aber nie früher als die Verjährungsfrist für die Festsetzung der Abgabe, gegen die sich die Straftat richtet. Bei Dauerdelikten und Unterbrechungstatbeständen beginnt sie bei jedem sonstigen Steuervergehen jeweils von vorne zu laufen. Die Verwaltungs-Finanzstrafe kann bis zum Doppelten des verkürzten Betrages ausmachen oder in einer Freiheitsstrafe von bis zu 3 Monaten bestehen. Übersteigt der strafbestimmende Wertbetrag € 75.000,–, ist das Gericht zuständig (es droht neben der Geldstrafe Gefängnis bis zu 2 Jahren) und es gelten die längeren Verjährungsfristen gem. § 57 StGB. Wer also seine Hoffnung auf Verjährung setzt, ist gut beraten einen Spezialisten für Finanzstrafrecht beizuziehen.
• Fehlerfreie Selbstanzeige gem. § 29 FinStrG
Sie hat ohne Verzug zu erfolgen und alle Umstände offen zu legen, um Straffreiheit zu erlangen. Der/die Täter (zutreffendenfalls auch die juristische Person) sind explizit zu benennen und die hinterzogene Abgabe ist zu entrichten, wobei eine Stundung bis zu 2 Jahren möglich ist. Straffreiheit tritt aber nicht ein, wenn bereits Verfolgungshandlungen im Gange sind, die Tat schon entdeckt ist oder bei einer finanzamtlichen Prüfung nicht zu Beginn der Amtshandlung eine Offenlegung erfolgte. Einem Ritt über den Bodensee gleicht es, auf eine Anfrage des Finanzamtes in Form des „Ergänzungs- oder Auskunftsersuchens“ zu warten. Ob eine bejahende Antwort in diesem Fall noch als strafbefreiende Selbstanzeige zu werten ist, hängt davon ab, ob es sich bereits um eine Verfolgungshandlung nach der Tatentdeckung handelt, was für den Steuerpflichtigen schwer erkennbar ist. Auch bei der Selbstanzeige ist die Beiziehung eines Fachkundigen ratsam. Bei „erfolgreicher“ Selbstanzeige sind erfahrungsgemäß die hinterzogenen Steuern der letzten 7 bis 8 Jahre (siehe Verjährungsproblematik) samt Zinsen nachzuzahlen.
Schlussbemerkung
Nicht nur die aktuelle „Datenaffäre“ soll Anlass für Überlegungen hinsichtlich der Rückführung oder steuerlichen Sanierung von Vermögen aus bzw. in der Schweiz sein. Ab 2011 ist mit einem Amtshilfeabkommen nach OECD-Standard zu rechnen. Die Schweiz behält sich voraussichtlich die Verweigerung der Amtshilfe bei gestohlenen Daten vor. Weiters sei auf jene EU-Mitgliedsländer hingewiesen, bei denen aufgrund der EU-ZinsRL bereits jetzt der automatische Informationsaustausch besteht. Soweit es sich bloß um nicht deklarierte Kapitalerträge handelt, kann sich die Problematik ja noch in Grenzen halten. Ans Eingemachte aber geht es, wenn es sich um Schwarzgeld oder Geldwäscherei (§ 165 StGB) handelt. Den Nachweis hierfür hat die Behörde zu erbringen, da ein Negativbeweis für den Beschuldigten nicht besteht. Abschließend sei auf ein kurioses Urteil des Fürstlichen Landgerichtes Liechtenstein hingewiesen, in welchem Presseberichten zufolge, die LGT-Treuhand AG dem Kläger (Steuersünder) eine Entschädigung von € 7,3 Mio. zu zahlen hat, weil er mangels rechtzeitiger Information über den Datendiebstahl, nicht die Rechtswohltat der Selbstanzeige in Anspruch nehmen konnte.
Resümee: Aufgrund des geltenden Verfahrensrechtes haben Betroffene kaum eine andere Chance, als durch die genannten Rechtshilfen eine Finanzstrafe zu vermeiden. Das ändert aber nichts an den materiellen Unrechtstatbeständen (Datendiebstahl und Hehlerei), die nach einem gesonderten Strafverfahren gegen die Täter rufen. Sich auf EU-Recht zu verlassen bleibt besonders Mutigen vorbehalten.