Erhöhung der Höchstgrenzen der Arbeitszeit
Seit einigen Tagen ist nunmehr die viel diskutierte Erhöhung der Höchstgrenzen der Arbeitszeit in Kraft. In Anbetracht der Verunsicherung, die diese Neuregelung verursacht hat, wollen wir daher vorweg ausdrücklich festhalten, dass es durch die Reform des Arbeitszeitgesetzes zu keiner Änderung bei der bestehenden täglichen und wöchentlichen Normalarbeitszeit gekommen ist. Der 8-Stunden-Tag sowie die 40-Stunden-Woche ist als rechtlicher Normalzustand unverändert bestehen geblieben. Geändert wurden die generell zulässigen Höchstarbeitszeiten, die sich aufgrund von Überstunden für den einzelnen Mitarbeiter pro Arbeitstag sowie pro Arbeitswoche ergeben können. Die tägliche zulässige Höchstarbeitszeit wird nunmehr von 10 auf 12 Stunden sowie die wöchentliche von derzeit 50 auf 60 Stunden erhöht.
Diese Erhöhung spiegelt zumindest in Teilbereichen die bereits bestehende Wirklichkeit des Arbeitslebens in Österreich wider und führt einerseits zu einer von der Wirtschaft seit Jahren geforderten Flexibilisierung der Arbeitszeit und andererseits zu einer Entkriminalisierung von Dienstgebern, die im Zuge dringender Auftragsabwicklungen bzw. bei kurzfristigen Projekten an einzelnen Tagen Überstunden angeordnet und dabei die bisherige tägliche 10-Stunden-Grenze überschritten haben.
Bei Vorliegen eines erhöhten Arbeitsbedarfs können daher seit 1.9.2018 wöchentlich bis zu 20 Überstunden geleistet, täglich jedoch maximal 12 Stunden gearbeitet werden. Die Leistung dieser Überstundenanzahl darf nicht permanent erfolgen, da zu beachten ist, dass innerhalb eines Durchrechnungszeitraumes von 17 Wochen eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden nicht überschritten werden darf.
Ein Dienstnehmer ist nur dann zur Leistung von Überstunden verpflichtet, wenn dies im Kollektivvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder im Dienstvertrag vorgesehen ist. Bisher schon konnten Dienstnehmer Überstunden (also die 9. und 10. Stunde) bei Vorliegen eines erhöhten Arbeitsbedarfs trotz vorhandener Verpflichtung sanktionslos ablehnen, wenn berücksichtigungswürdige Interessen des Dienstnehmers der Überstundenarbeit entgegengestanden sind. Überstunden, die als 11./12. Stunde täglich bzw. 51.-60.Stunde wöchentlich erbracht werden sollen, können ohne Angabe von Gründen abgelehnt werden.
Für diese Überstunden (11./12. Stunde täglich sowie 51.-60. Stunde wöchentlich), besteht ein Wahlrecht des Dienstnehmers diese in Geld oder in Zeitausgleich abgegolten zu bekommen.
Vom Dienstgeber angeordnete Arbeitsstunden, die über die Normalarbeitszeit hinausgehen, gelten automatisch als Überstunden, wodurch die kollektivvertraglichen Folgen (insbesondere Überstundenzuschläge) zur Anwendung gelangen. In der Praxis lässt sich nur schwer feststellen, ob eine Überstunde „freiwillig“ geleistet oder ob diese vom Dienstgeber „angeordnet“ wurde. Allerdings ist aufgrund der tendenziell arbeitnehmerfreundlichen Rechtsprechung davon auszugehen, dass im Zweifelsfalle eine stillschweigende Anordnung von Überstunden dem Dienstgeber zuzuschreiben ist, sofern keine entsprechenden Nachweise und Aufzeichnungen geführt bzw. vom Dienstnehmer unterfertigt werden.
Neben einem Benachteiligungsverbot bei Ablehnung der Leistung von Überstunden wurde zusätzlich eine eigene gerichtliche Kündigungsanfechtung (Geltendmachung binnen zwei Wochen durch den Dienstnehmer) eingeführt.
Ausnahmen vom Geltungsbereich des Arbeitszeitrechts
Der vom Anwendungsbereich des Arbeitszeitrechts ausgenommene Personenkreis wurde gesetzlich neu definiert und umfasst neben den Familienangehörigen nunmehr auch die dritte Führungsebene.
Als Familienangehörige gelten nahe Angehörige des Arbeitgebers. Dazu zählen: Eltern, volljährige Kinder, im gemeinsamen Haushalt lebende Ehepartner, eingetragene Partner sowie Lebensgefährten (sofern seit zumindest drei Jahren ein gemeinsamer Haushalt besteht).
Ausgenommen waren bisher schon Mitarbeiter der ersten und zweiten Führungsebene. Diese Ausnahme wurde nunmehr auf Arbeitnehmer erweitert, die maßgebliche selbständige Entscheidungsbefugnisse übertragen bekommen haben. Damit ist laut den erläuternden Bemerkungen die dritte Führungsebene gemeint.
Die Ausnahme vom Geltungsbereich gilt für beide Personenkreise nur dann, wenn die gesamte Arbeitszeit aufgrund der besonderen Merkmale der Tätigkeit NICHT gemessen ODER NICHT im Voraus festgelegt ODER von diesen hinsichtlich Lage und Dauer die Arbeitszeit selbst festgelegt werden kann. In allen anderen Fällen sind auch nahe Angehörige und Führungskräfte weiterhin an das Arbeitszeitgesetz und die damit einhergehenden Einschränkungen und Aufzeichnungsverpflichtungen gebunden.
Kollektivvertragliche Ermächtigung zur Übertragung von Zeitguthaben
Bisher war es den Kollektivvertragsparteien freigestellt, eine Übertragung von Zeitguthaben ausschließlich in den nächsten Durchrechnungszeitraum (die genaue Festlegung des Durchrechnungszeitraums wie beispielsweise das Kalenderjahr erfolgt ebenso im Kollektivvertrag) zu ermöglichen. Künftig ist auch eine mehrmalige statt einmalige Übertragung möglich. Zusätzlich entfallen ist die Einschränkung auf Zeitguthaben und es können nunmehr auch Zeitschulden des Dienstnehmers übertragen werden. Diese Übertragungsmöglichkeit muss weiterhin im Kollektivvertrag geregelt sein, weshalb eine sofortige flächendeckende Anwendbarkeit der Neuregelung als nicht wahrscheinlich gilt und je nach Kollektivvertrag weiterhin separat geprüft werden muss, ob ein vorhandenes Zeitguthaben (mit oder ohne Zeitzuschläge) auszubezahlen ist oder (einmalig oder mehrmals) übertragen werden darf.
Gleitzeit
Bisher galt auch bei vereinbarter Gleitzeit die Einhaltung der täglichen Arbeitszeit von maximal zehn Stunden. Diese Grenze wurde nun auf zwölf Stunden pro Tag angehoben. Dies ist nur unter der Voraussetzung zulässig, dass die Gleitzeitvereinbarung einen ganztägigen Verbrauch von Zeitguthaben vorsieht und der Verbrauch im Zusammenhang mit einer wöchentlichen Ruhezeit nicht ausgeschlossen ist. In allen anderen Fällen bleibt die bisherige Grenze von 10 Stunden pro Tag aufrecht. Für Dienstgeber wird es daher von entscheidender Bedeutung sein, die Adaptierung bestehender Gleitzeitvereinbarungen vorzunehmen.
BV-Ermächtigung für Wochenend- und Feiertagsdienste
Bei vorübergehend auftretendem besonderen Arbeitsbedarf kann mittels Betriebsvereinbarung (BV) eine Ausnahme von der Wochenendruhe (mindestens 36 Stunden durchgehende Freizeit) und der Feiertagsruhe (mindestens 24 Stunden durchgehende Freizeit) an vier Wochenenden oder Feiertagen pro Dienstnehmer und pro Jahr zugelassen werden, wobei dies einschränkend nicht an vier aufeinanderfolgenden Wochenenden erfolgen darf. Ausgenommen sind Verkaufstätigkeiten außerhalb des Öffnungszeitengesetzes.
Bestandsgarantie
Die neuen gesetzlichen Bestimmungen führen zu keiner abrupten Änderung zulasten der Dienstnehmer, weil für bestehende Gleitzeitvereinbarungen sowie günstigere Bestimmungen in geltenden Kollektivverträgen und Betriebsvereinbarungen eine gesetzliche Bestandsgarantie vorgesehen ist. Sind diese Vereinbarungen zeitlich befristet abgeschlossen, können die neuen Regelungen aber bei Abschluss von neuen Vereinbarungen selbstverständlich berücksichtigt werden.